Ende August ging es mit meinem Auslandschuljahr los. Wichtig war es mir dabei, ein Land kennenlernen zu dürfen, welches eine bergige und waldreiche Landschaft hat, die das Gegenteil zu unserer in Niedersachsen ist. Außerdem sollte dieses Land Orte haben, die kaum Zivilisation aufweisen und von der Natur dominiert werden.
Und so bin ich auf Kanada gekommen, genauer auf Vancouver Island und dort auf einen kleinen Ort namens Campbell River.
Dieser Teil Kanadas gehört zu der Provinz British Columbia. 10 Monate, also ein reguläres Schuljahr lang, darf ich hier sein. Als Austauschorganisation hatte ich mir Canada Unique ausgesucht, die auf Kanada spezialisiert ist.
Canada Unique kann ich jedem, der jetzt schon sicher weiß, dass er nach Kanada gehen will, nur empfehlen. Mit deren Hilfe konnte ich, genau das finden, was ich gesucht hatte. Insbesondere nach der langen Anreise und den ersten Wochen vor Ort muss ich sagen, dass ich im Nachhinein mit dieser Entscheidung ziemlich glücklich bin. Ich war auf alle organisatorischen Fragen und die Bedingungen vor Ort gut vorbereitet.
Das Schulsystem hier ist das komplette Gegenteil zu dem bei uns in Deutschland. Hier wird überwiegend praktisch gearbeitet, natürlich gibt es hier auch normale akademische Fächer wie zum Beispiel Mathe, Englisch oder Geografie. Aber die praktischen Fächer sind die, die wohl am lehrreichsten sind. Das ist nur meine Sicht, aber ich hatte das Glück, dass ich die Fächer erhalten habe, welche ich auch gewählt habe. Dazu unten mehr. Die Schule startet hier um 8:45 Uhr und endet um 14:45 Uhr.
Das Stundenplansystem ist hier so gestaltet, dass ich nur vier Fächer habe: A-Block, B-Block, C-Block und den D-Block, welche genau in dieser Reihenfolge montags, mittwochs und freitags unterrichtet werden. Jeder dieser Blöcke dauert 1:15 Stunde, dazwischen jeweils 10 min Pause, zwischen dem B- und dem C-Block haben wir unsere Mittagspause von 45 min. Seit diesem Schuljahr gibt es aber ein neues System, dass den Dienstag und Donnerstag etwas anders aussehen lässt als die anderen drei Schultage. Am Dienstag und Donnerstag haben wir nur jeweils zwei Blöcke, am Dienstag den A- und C-Block, am Donnerstag den B- und D-Block, welche dafür jeweils 2:05 Stunden lang sind. Der größte Unterschied aber ist, dass wir an diesen beiden Tagen jeweils zwischen dem ersten Block und unserer Mittagspause einen 45-minütigen WIN-Block haben. WIN steht in diesem Fall für „What I Need“, dieser soll von Schülern genutzt werden, um zum Beispiel in Fächern, in denen man hinterherhängt aufzuschließen oder um in handwerklichen Fächern an seinen Projekten länger arbeiten zu können.
Um nochmal auf meine Fächerwahl zurückzukommen. Ich habe als A-Block Spanisch Level 1, als B-Block Automechanik, als C-Block habe ich Holzarbeiten und als D-Block Fußball. Somit habe ich ein akademisches Fach, ein sportbasiertes und zwei handwerkliche für das erste Semester.
Dabei ist zu erwähnen, dass eben diese zwei handwerklichen Fächer extrem lehrreich für mich sind. Entgegen meiner anfänglichen Erwartung sind sie genau das, was sie ausdrücken.
Wir haben hier in der Schule unsere eigene Werkstatt, was bedeutet, dass wir eine sehr große Garage haben, in der alles ist, was das Herz eines Mechanikers begehrt. Die Garage enthält die verschiedensten Autos, an denen gearbeitet werden kann. Darüber hinaus kann jeder Schüler, der hier im Kurs ist, sein eigenes Auto oder das Auto von Familienmitgliedern herbringen, um es zu reparieren. Diese Möglichkeit nutzen die meisten auch, denn allein Auto zu fahren ist hier schon ab 17 Jahren erlaubt, begleitet sogar schon ab 16 Jahren. Auch die Autos von Lehrern können hier auf Vordermann gebracht werden oder von Nachbarn, die einen dann dafür bezahlen. So können Schüler sich hier während der Schulzeit etwas dazu verdienen. Ich selbst arbeite hier an einen 1976er Ford Maverick, der schon weitaus bessere Tage gesehen hat. Ich versuche, ihn wieder zu altem Glanz zu bringen. Durch dieses Fach lernt man, wie man Probleme am eigenen Auto behebt und so zum einen selbstständiger wird, aber zum andern natürlich auch eine Menge Geld sparen kann, wenn man fähig ist sein Auto selbst reparieren zu können.
Für das Fach Holzarbeiten hat unsere Schule eine eigene Tischlerei mit allem, was man zum Tischlern braucht. Aber ich spreche nicht von den Geräten, die in Deutschland üblich sind, wie eine Werkbank oder kleine Sägen. Nein! Hier in der Schule haben wir eine professionelle Ausstattung. Dazu gehören Kreissägen, Bandsägen, Drechsler oder auch Schleifmaschinen.
Für jedes dieser Geräte gibt es am Anfang des Schuljahres eine Einweisung und danach kann so richtig losgelegt werden.
Ich bin gerade dabei, einen Stuhl, den ich in Deutschland im Kunstunterricht skizziert und immer nur in der Theorie behandelt hatte, zu verwirklichen. Man hat nämlich, in diesem Fach, nach der Vorbereitungsphase die freie Entscheidung, welches finale Objekt man verwirklichen will. Dabei ist alles erlaubt, solange es im Rahmen der Möglichkeiten liegt.
Am besten gefällt mir hier im Moment tatsächlich die Schule, denn man lernt hier jeden Tag etwas Neues und das Schulklima generell ist sehr angenehm. Auch die Natur gefällt mir hier sehr, denn sie ist vollkommen unangetastet. Das ist auch ein gravierender Unterschied zu Deutschland. Hier erlebt man Natur noch als etwas vollkommen Neues, denn es ist nicht wie in Deutschland, wo zum einen so gut wie jeder Wald menschengemacht ist, zum anderen ist hier auch viel weniger ausgeschildert. So kommt es, dass wenn man hier in die Natur geht, beinahe eine neue und vollkommen fremde Welt betritt, in der man sich allein zurechtfinden muss. Das ist auch einer der wichtigen Gründe, warum ich nach Kanada für mein Auslandsjahr gegangen bin. Hier gibt es noch Wildnis, die kaum ein Mensch betreten hat und die unglaublichen Weiten sind einfach atemberaubend.
Selbstverständliche vermisse ich auch manches. Vor allem fehlen mir meine Familie und meine engsten Freunde. Aber auch Traditionen/ Rituale, wie die jetzt bald kommenden großen Weihnachtsmärkte in Hamburg, die es hier in keiner Weise gibt. Oder auch, ganz klassisch, deutsches Brot/Brötchen, findet man hier in Kanada nicht. Nur Toast ist allgegenwärtig.
Somit lässt sich abschließend vom jetzigen Zeitpunkt aus nur sagen, dass das Jahr hier wohl eins meiner unvergesslichsten Jahre im Leben sein wird. Meine Entscheidung vor zwei Jahren, für ein Jahr nach Kanada zu gehen, war richtig!

Geschrieben von

Max Kallmeyer
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