„Wie schlimm Krieg ist, merkt man immer erst, wenn man selbst davon betroffen ist.“

Zeitzeugenbesuch am Gymnasium Meckelfeld am 06.02.2024

Es war eine Geschichtsstunde der besonderen Art, die die Zehntklässler und angehenden Abiturenten des Gymnasiums Meckelfeld am 06. Februar erleben durften. Lisa Schomburg berichtete, wie sie als damals begeistere Hitler-Anhängerin ihren Führer an dessen Geburtstag in Hamburg persönlich erlebte. Manfred Hüllen war knapp 80 Jahre nach dem Tod seiner Schwester infolge eines Tieffliegerangriffs den Tränen nahe und gab aufgrund seiner Erfahrungen den Gymnasiasten wichtige Ratschläge mit auf den weiteren Lebensweg.

Als Lisa Schomburg 1930 geboren wurde, erlebte Deutschland eine schwere wirtschaftliche und politische Krise. Die Weimarer Republik wurde massiv von links und rechts bekämpft. Als sie drei Jahre alt war, ergriffen die Nationalsozialisten die Macht. Seit diesen frühen Kindheitstagen erzählte man ihr, Hitler sei „der Größte“ und „das Beste“ gewesen, was Deutschland passieren konnte. Dass ihre Eltern anderer Meinung waren, habe sie damals nicht verstehen können. „Ich glaubte ihnen nicht!“, betonte die 93-Jährige. Ihr „Dienst“ für „Führer, Volk und Vaterland“ sei schließlich wichtiger gewesen, denn mit Hitler und dem Nationalsozialismus verband sie viele positive Erlebnisse. Was zum Beispiel in Neuengamme vor sich ging, davon habe sie als junges Mädchen genauso wenig gewusst wie von den Hintergründen des Nationalsozialismus. Vielmehr sei die Zeit, sogar die ersten Kriegsjahre, die sie im BDM mit ihren Freundinnen habe verbringen dürfen, eine sehr prägende Lebensphase gewesen. Man sei gemeinsam durch dick und dünn gegangen. Auf Nachfrage eines Schülers, wann sich ihre Einstellung zum Nationalsozialismus geändert habe, antwortete sie, es sei ein schleichender Prozess gewesen, bedingt durch ihre traumatischen Kriegserlebnisse. Als Hamburg befreitet wurde, seien die Briten ihre neuen Helden gewesen. Vom Nationalsozialismus habe sie sich fortan ganz klar distanziert. Als Kind sei sie „verführt“ worden, so die Meckelfelderin. Um vergleichbaren Entwicklungen in der Gegenwart entgegenzuwirken und junge Menschen zu sensibilisieren, trete sie als Zeitzeugin in Schulen auf.

„Mein Verhältnis zum Nationalsozialismus war – im Gegensatz zu Lisa – von Kindheit an äußerst negativ“, so Manfred Hüllen. Als er zwei Jahre alt war, wurde sein Vater, ein ehemaliges Mitglied der SPD, von der NS-Justiz als politischer Gefangener im KZ Buchenwald interniert. Im gleichen Jahr wurde die Familie, die bis dahin in Düsseldorf lebte, ausgebombt und nach Stadtroda in Thüringen geschickt. Selbst auf dem Land war die Familie vor dem Krieg nicht sicher. Bei Luftalarm musste man sich in Kellern von Bauernhäusern oder stundenlang in Erdlöchern verstecken, die oft mit Wasser gefüllt waren. Besonders bewegend schilderte Manfred Hüllen seine Erlebnisse: Mit seiner Mutter und der zwei Jahre älteren Schwester Ursula geriet er in den letzten Kriegstagen überraschend in einen Tieffliegerangriff. Ein flüchtender Wagen erfasste daraufhin die gesamte Familie. Während er und seine Mutter schwer verletzt wurden, lag seine Schwester, seine „beste Freundin“, am Straßenrand und wollte einfach nicht mehr aufwachen. „Sie war tot!“, schluchzte Manfred Hüllen. Auch nach fast 80 Jahren geht ihm dieser Verlust noch immer sehr nahe. „Wie schlimm Krieg ist, merkt man immer erst, wenn man selbst davon betroffen ist.“ Das war auch seine zentrale Botschaft an die Meckelfelder Schülerinnen und Schüler.

Noch schlimmer als der Krieg seien für ihn die unmittelbaren Nachkriegsjahre gewesen. Dies werde ganz oft vergessen.

Die Nachkriegsjahre seien ein „gnadenloses Kämpfen“ gewesen. Daher war es dem Zeitzeugen ein besonderes Anliegen darauf hinzuweisen, dass man Konflikte bereits im Vorfeld vermeiden oder im gegenseitigen Einvernehmen lösen müsse. Das beginne bereits im Kleinen in der Schule. Denn das, was er erlebt hat, dürfe sich nicht wiederholen. „Ihr müsst immer aufeinander zugehen, miteinander reden, aber auch Haltung zeigen. Wir haben mittlerweile 80 Jahre Frieden in Deutschland und müssen die 100 Jahre unbedingt vollmachen – und danach müssen wieder 100 friedliche Jahre folgen!“